Für die Ewigkeit
Mehrere Jahre lang hat die Künstlerin Lisa Huber an der zeitgenössischen Neugestaltung der Kreuzwegstationen am Kalvarienberg der Gemeinde Sachsenburg gearbeitet.
„Nacket bin ich von Mutterleibe kommen. Nacket werde ich wiederum dahinfahren, der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herren sei gelobet.“ Die Musikalischen Exequien des Komponisten Heinrich Schütz (*1585; †1672) sind wohl eine der Trauermusiken des 17. Jahrhunderts, welche bis heute nichts an ihrer tief nach innen hin berührenden Kraft verloren haben. Was der Komponist in seinen Noten verkörpert, gelingt Künstlerin Lisa Huber in ihren ausdrucksstarken Holzschnitten. Sechs Jahre ihres Schaffens hat sie gänzlich der Neugestaltung der Kreuzwegstationen am Kalvarienberg der Gemeinde Sachsenburg gewidmet und wurde letztlich selbst ein Stück des Ganzen, wie sie sagt. Die einzelnen Stationen führen den Betrachter in großformatige Details und schaffen damit den notbringenden Raum, um die Szenerie hin zu einer monumentalen Ebene größer zu denken.
Geschichte. Den Wunsch, einstige Holzkreuze zu ersetzen, gebar Initiator und Förderer Herbert Kulterer zu seinem 80sten Geburtstag. Gemeinsam mit Kunsterzieher und Vermittler der ersten Stunde, Wilfried Kuß, setzte er sich für die Aufarbeitung der Passion Christi in der Ikonographie ein. Die Geschichte des Kalvarienberges reicht ins 18. Jahrhundert zurück. Von 1726 bis 1738 erfolgten 45 Kreuzweggründungen in Österreich, um sich als Mensch und Gläubiger das Leiden und den Schmerz Christi zu vergegenwärtigen, in dem die „Via Dolorosa“ selbst beschritten werden konnte. Pfarrer Josef Anton Weichsler, von 1714 bis 1743 als Seelsorger in Sachsenburg tätig, beauftragte demnach den damaligen Franziskanerpater, hölzerne Kreuze auf dem Schlossberg zu errichten. 1731 begann man mit dem Aufmauern der einzelnen Segmente, der Kirche und des Heiligen Grabes, zwei Jahre später wurde das religiöse Ensemble fertiggestellt. Während der Franzosenkriege wurden die Kreuzwegstationen sowie die Kirche schwer in Mitleidenschaft gezogen, Dechant Anton Granitzer war es schließlich, welcher die desolate Anlage in den Jahren 1977/78 behutsam sanieren ließ. Mit der Neugestaltung Lisa Hubers schließt sich nun ein langer historischer Kreis. Die zwölf neuen Stationen sind in der Zeit von 2016 – 2022 entstanden, unterstützt wurde das Projekt vom Land Kärnten, der Gemeinde sowie der örtlichen Pfarre St. Margaretha. Nicht unerwähnt bleiben dürfen in diesem Zusammenhang die großzügigen Freunde und Gönner des Sachsenburger Kalvarienberges, ohne die eine finale Umsetzung wohl ein frommer Wunsch gen Himmel geblieben wäre.
Kunst. Lisa Huber gilt als feinfühlige Kennerin der christlichen Ikonographie und beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Kunst im sakralen Raum. Zyklen nach biblischen Themen und der geistlichen Überlieferung stehen im Zentrum ihres Schaffens. Der Holzschnitt nimmt innerhalb ihres künstlerischen Oeuvres einen besonderen Stellenwert ein. Dieser erweist sich für die Künstlerin nicht nur technisch als aufwendig, sondern fordert zudem körperlichen Einsatz, da für die detaillierten Ausschnitte meist mit mehreren Meter großen Rohlingen gearbeitet wird. Die Komposition der Via Dolorosa erscheint daher von einer ergreifenden Tiefsinnigkeit. Die einzelnen Werke sind in untermalten Holzschnitten gestaltet und wurden von der Wiesbadener Firma Derix mittels speziell entwickelter Technik in Glasbilder umgesetzt. Sepp Lassnig baute diese zu guter Letzt in die jeweilige Station ein. Es ist das Verbindende, welches die in Berlin, Wien und Villach arbeitende Künstlerin hervorhebt, wie Wilfried Kuß bestätigt: „Mittelalterliches Gedankengut verknüpft sie mit der Moderne zu einer spirituellen Einheit, gotische Elemente gekonnt mit dem Hier und Jetzt.“ Ein besonderes Augenmerk legt Lisa Huber dabei auf Details: „Die erste und letzte Station umfangen das gesamte Werk als Klammer, das Kreuz wird in Schräglage abgebildet, richtet sich immer mehr auf, bis es bei der Kreuzesabnahme schier geradesteht. Die Farbe des Kreuzes erstrahlt anfangs in blauer Hoffnung, transformiert sich zunehmend in ein unrettbares Braun, dem alle Hoffnung entschwunden ist.“ Sie nimmt Bezug auf reale Personen aus ihrer Umgebung und arbeitet mit Symbolen, die in der christlichen Ikonographie eingearbeitet sind: So stehen der Pinienzapfen (2. Station) sowie die zarte Mandelblüte (5. Station) für die Ewigkeit, zudem spielt der Lichteinfall im Tagesverlauf eine bedeutende Rolle, da die bunt-leuchtenden Farben in prägnanten Ausdrucksformen einerseits einen symbolischen Charakter beinhalten und andererseits immer wieder einen neuen Blickwinkel auf die detaillierte Szenerie ermöglichen.
Ewigkeit. Weithin reicht die Sicht demnach auf das Lurnfeld und das Obere Drautal mit seinen Bergen an der vorletzten, der 13.ten Station am Kalvarienberg. Jesus wird vom Kreuz genommen. Spiegelnde Stille zieht den Betrachter in seinen Bann, lässt den sehenden Gläubigen mit der Tragödie verschmelzen. „Herr, nun lässest du deinen Diener in Friede fahren.“
Fotos: © Bernd Borchardt, Berlin